Fatigue Management Buchrezension

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Umgang mit chronischer Müdigkeit und Erschöpfung – Ein Ratgeber für Betroffene, Angehörige und Fachleute des Gesundheitswesens

Heiko Lorenzen: Fatigue Management – Umgang mit chronischer Müdigkeit und Erschöpfung, 71 Seiten, 16 Schwarzweißfotos, Grafiken und Tabellen, ISBN 978-3-8248-1298-1, Euro 11,50, Schulz-Kirchner-Verlag, Idstein 2022.

Cover Fatigue Management Buchrezension

Die Medizin bezeichnet das Fatigue-Syndrom als eine krankhaft ausgeprägte Dauermüdigkeit und -erschöpfung, das bei oder nach verschiedenen Erkrankungen auftritt und häufig vorkommt. Aktuell ist durch mediale Berichterstattungen Fatigue als Langzeitfolge einer Covid-19-Erkrankung in das gesellschaftliche Bewusstsein gerückt und erfährt als Krankheit Anerkennung. Von Betroffenen wird Fatigue als eine allumfassende körperliche, geistige und seelische Erschöpfung mit einer massiven und schwer zu ertragenden Einschränkung ihrer Lebensführung und -qualität erlebt. Zwar werden seit gut 20 Jahren Beschwerdebilder und Schweregrade wissenschaftlich fundiert beschrieben, die Pathogenese aber gibt noch immer Rätsel auf und eine sichere Diagnosestellung ist nach wie vor problematisch. Zur medikamentösen Behandlung werden verschiedene Wirkstoffe erprobt, ein konkretes Medikament konnte bisher noch nicht zugelassen werden. So sind von Fatigue betroffene Menschen darauf angewiesen, sich auf ihr unsichtbares Leiden, bei dem ein Missverhältnis zwischen körperlicher Belastung und dem anschließenden Erschöpfungsgefühl besteht, einzustellen und einen eigenverantwortlichen Umgang damit zu lernen. Dafür brauchen sie medizinische Aufklärung, fachtherapeutische Beratung und Hilfestellungen ebenso dringend wie Verständnis ihres sozialen Umfeldes. Der Ratgeber von Heiko Lorenzen wendet sich deshalb gleichermaßen an Betroffene, Angehörige und Fachleute des Gesundheitswesens.  

Der Autor ist Ergotherapeut mit langjähriger Erfahrung in Praxis und Lehre. 2010 erschien bereits die erste Auflage seines Buchs. Mit der nun überarbeiteten zweiten Auflage thematisiert er erneut die Fatigue als ein sehr ernst zunehmendes Problem vieler chronisch Erkrankter und weist auf die zunehmende Verbreitung hin, wie sie zurzeit als häufiges Symptom im Zusammenhang mit Long COVID und Post-COVID-19 offenkundig geworden ist. Auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse stellt er Strategien und Hilfe zur Selbsthilfe vor, mit den persönlichen Auswirkungen der Symptome im Alltag zurechtzukommen. Im Zentrum dieses Ratgebers steht somit das sieben Lektionen umfassende Selbstmanagement von Fatigue. 

Voraussetzung für ein Selbstmanagement und eine therapeutische Begleitung ist das Verstehen der Krankheit. Dazu beschreibt Heiko Lorenzen die wichtigsten Aspekte bezüglich Symptome, Pathophysiologie, Epidemiologie und Diagnostik. Ausführlich geht er auf die für die Behandlungsstrategien bedeutsamen Unterscheidungsmerkmale der drei Kategorien von Fatigue ein: 

1. Fatigue tritt begleitend im Zusammenhang mit chronischen Erkrankungen wie Krebs, Morbus Parkinson, rheumatoide Arthritis oder Multiple Sklerose (MS) auf. 

2. Fatigue, die als Folge anderer Krankheiten wie Schilddrüsenunterfunktion, Schlafapnoe oder Anämie vorkommt, bessert sich oft durch die Behandlung der Erkrankung selbst.

3. Als eigenständige Erkrankung geht das Chronische Fatigue Syndrom (CFS) beziehungsweise die Myalgische Enzephalomyelitis (ME) mit sehr ausgeprägten Symptomen einher. Die Ursache ist noch ungeklärt, vermutet wird eine Infektion als Auslöser einer andauernd schweren Erschöpfung. Typisch für CFS/ME ist die am Folgetag einer Anstrengung auftretende Verschlimmerung, die sogenannte postexertionelle Malaise (PEM). 

Weitere Ursachenerklärungen setzen an degenerativen Veränderungen innerhalb des zentralen Nervensystems (Morbus Parkinson, MS), der Dysregulation des endogrinen Systems (Fehlregulierungen von Botenstoffen wie Serotonin und Dopamin, Prostatakrebs), Dysregulationen des Immunsystems (Autoimmunerkrankungen) sowie an entzündlichen Prozessen und erhöhtem Energiebedarf an. Um eine Vorstellung von der Verbreitung von Fatigue zu bekommen, erläutert der Autor häufigkeitsbezogene Faktoren anhand einer kleinen Auswahl an Krankheiten wie zum Beispiel „Die Krankheit nach der Krankheit – das Post-COVID-Syndrom“. 

Die Behandlung von Fatigue kombiniert verschiedene therapeutische Ansätze miteinander, um sie maßgeschneidert den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen anpassen zu können. Das trifft auch auf das Fatigue Management zu, bei dem es darum geht, mit der eigenen Energie effektiv zu haushalten, weswegen diese Strategie auch Energiemanagement genannt wird und als Selbstmanagement mit Hilfe der aufeinander aufbauenden Lektionen erlernt werden kann. Das prozesshafte Herausfinden des körperlichen Energieniveaus mit seinen Schwankungen im Tagesverlauf ist der erste Schritt, um dann gezielt Aktivitäts- und Ruhephasen aufeinander abzustimmen. Es ist wichtig, über persönliches Befinden sprechen zu lernen. Nur so können Betroffene ihre Beschwerden mit Angehörigen, Ärzt*innen und Therapeut*innen kommunizieren und gezielt nachfragen, wie sie sich zum Beispiel mit ergonomischen Gestaltungen Erleichterungen im Haushalt oder am Arbeitsplatz schaffen können. Die Lebensführung selbst planen und gestalten, für Aktivphasen, Ruhe- und Schlafzeiten einen angemessenen Rhythmus finden, Prioritäten setzen und an Lebensqualität gewinnen sind weitere Lernschritte und zugleich Ziel des Selbstmanagements.

Fazit

Ein sehr zu empfehlender Ratgeber: Der Autor hat mit großer Sorgfalt wissenschaftlich basierte Daten zum Fatigue-Syndrom zusammengetragen und mit viel Einfühlungsvermögen schwierige und komplexe Zusammenhänge für Patient*innen verständlich aufbereitet. Seine Darstellungen ermöglichen einen profunden und praxisnahen Wissenstransfer für den therapeutischen Umgang mit Fatigue-Betroffenen und deren Angehörigen. Für eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema finden sich am Ende des Buchs weiterführende Informationen zu Hilfs- und Pflegemitteln, Fach- und Ratgeberliteratur, Adressen von Selbsthilfegruppen und Internetquellen. 

Cornelia M. Kopelsky
Freie Fachjournalistin und Fachautorin
Service für bewegende Publikationen
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