Gesunde Ernährung Buchrezension

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Harvard Medical School Guide Gesunde Ernährung: Einfach und praktisch: erstklassige Wissenschaft für Ihre tägliche Ernährung. Der Bestseller.

Walter C. Willett / Patrik J. Skerrett: Havard Medical School Guide Gesunde Ernährung – Einfach und praktisch: erstklassige Wissenschaft für Ihre tägliche Ernährung,  320 Seiten, 14 Abbildungen, kartonierter Einband, 24 x 17 cm, TRIAS Verlag Stuttgart 2022, Preis: 24,99 €, ISBN: 978-3-432-11450-7.

Harvard Medical School Guide Gesunde Ernährung: Einfach und praktisch: erstklassige Wissenschaft für Ihre tägliche Ernährung. Der Bestseller aus den USA Buchrezension

Für eine gesunde Ernährung ist es nie zu früh und nie zu spät. Schon während der Schwangerschaft profitiert das Kind von einer vollwertigen und ausgewogenen Kost seiner Mutter. Selbst bei Hochaltrigen trägt eine auf die besonderen Bedarfe des Alterns angepasste Ernährungsweise entscheidend zur Lebensqualität bei. Denn die Ernährung hat in jeder Lebensphase immensen Einfluss auf das Wohlbefinden, die Gesundheit, auf Krankheitsentstehung und -verläufe sowie auf Heilung. Das ist heute wissenschaftlich gesichert. Doch das herrschende Überangebot an Ernährungsideologien, an modischen Kosttrends, Diätmodellen und an Lebensmitteln verunsichert eher, als es die Menschen, die ihrer Gesundheit zuliebe ihren Ernährungsstil und ihr Essverhalten nachhaltig ändern wollen, hilfreich informiert. Aber wie stelle ich eine auf meine persönlichen Gesundheitsziele gerichtete tägliche Ernährung zusammen? Was soll und darf ich eigentlich noch essen? Wie verlässlich sind offizielle Ernährungsrichtlinien?

Auf diese und viele anderen Fragen, wie gesünderes Essen im Alltag gelingen kann, antwortet der weltweit anerkannte Ernährungsexperte Professor Willett mit seinem auf zahlreichen eigenen und internationalen Wissenschaftsstudien basierenden Leitfaden. Der Autor lehrt seit über 25 Jahren Medizin, Ernährung und Epidemiologie an der renommierten Havard Medical School in den USA. Die erste Auflage seines Leitfadens erschien bereits 2001 unter dem Titel „Eat, thrink and be healthy: The Havard School Guide to Healthy Eating“ und wurde in den USA ein Bestseller, sodass 2005 eine zweite und 2017 eine dritte überarbeitete Auflage folgten. Sein Co-Autor Patrik J. Skerrett arbeitete ebenfalls an der Havard Medical School und hat als Lektor die wissenschaftlich verfassten Texte in eine kommunikative und gut lesbare Sprache übertragen. Nun liegt das Buch auch in deutscher Übersetzung unter Bezug auf das Essverhalten und die Esskultur der deutschen Bevölkerung vor. 

Die ersten drei von 15 Kapiteln des Buchs dienen der Information über Studienmethoden und ergebnisse, über ländervergleichende Verzehrstudien der Allgemeinbevölkerung und daraus resultierende Empfehlungen zur Erhaltung der Gesundheit und Risikominderung für Krankheitsentstehung. Denn Ernährung ist ein hochkomplexes Thema, eine Wissenschaft für sich, die mit vielen anderen Wissenschaften wie Medizin, Psychologie, Soziologie, Agrarbiologie und Ökologie korrespondiert, aber auch mit wirtschaftlichen und industriellen Interessen korreliert. Grundsätzlich essen wir, um zu leben, um heranzuwachsen, um ausreichend Energie für den Alltag zu bekommen und um gesund alt zu werden. Dazu brauchen wir Lebensmittel, die wir heute nur zu einem schwindend geringen Teil selbstversorgend herstellen können. Wir sind auf die industrielle Versorgung von Grundnahrungsmitteln angewiesen. Das ausgeklügelte Marketingsystem der Lebensmittelerzeuger bedient sich jedem Foodtrend und wollen uns glauben machen, das jedes ihrer Produkte gesund sei. Informationen und Empfehlungen von staatlicher Seite haben es da schwer, sich bei der Bevölkerung durchzusetzen. Der Autor macht an Beispielen von Ernährungspyramiden, die seit 1992 das Ranking der Lebensmittelgruppen präsentieren, deutlich, wie einflussreich die Lebensmittelindustrie diese Orientierungshilfen mitbestimmt. 13 Jahre hielt sich die Pyramide des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums, bei der eine kohlenhydratreiche Kost aus Getreideprodukten als Sattmacher empfohlen wurde. Gemüse und Obst rangierten als Energielieferanten an zweiter Stelle, gefolgt von Milch- und Fleischprodukten als Eiweißquelle. Fette und Öle sowie Süßigkeiten sollten zur Vermeidung von Übergewicht nur in geringen Mengen verzehrt werden. Auch verantwortliche Stellen in Deutschland orientierten sich lange an dieser Pyramide, obwohl von wissenschaftlicher Seite bereits erwiesen war, dass Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette in ausgewogener Menge für die Gesundheit erforderlich sind. Und ebenso war sicher, dass es der hohe Konsum an einfachen Kohlenhydraten (z. B. Fructose) ist, der zu Übergewicht führt und nicht die guten ungesättigten Fettsäuren, wie sie zum Beispiel in Nüssen vorkommen. Was die Eiweißquellen betrifft, so stehen pflanzliche den tierischen nicht nach. 

Infolge der neuen ernährungswissenschaftlichen Evidenz erstellten Havard-Wissenschaftler eine neue Pyramide mit Empfehlungen nach dem Vorbild der traditionellen mediterranen Ernährungsweise. Danach bilden Vollkornprodukte, reichlich Gemüse, Obst und Pflanzenöle die Basis der täglichen Mahlzeiten. Es folgen Nüsse und Hülsenfrüchte. Fisch, Geflügel und Eier als Eiweiß-Beilagen und kleine Mengen an Milch und Hartkäse als zusätzliche Kalziumquelle. Nur selten sollten rotes Fleisch, Weißmehlprodukte und Süßwaren verzehrt werden. Lobend erwähnt werden muss, dass das Fundament der Havard-Pyramide auf die tägliche Bewegung als die beste Kalorienverbrennerin hinweist. Die aktuellen Regeln des Bundeszentrums für Ernährung und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. empfehlen ebenfalls eine pflanzenbasierte Ernährungsweise und weichen bei anderen Lebensmittelempfehlungen nur geringfügig von den Havardschen ab. 

Mit dem Kapitel „Gesundes Gewicht“ beginnt der praktische Teil. Übergewicht ist einer der meisten Beweggründe, warum Erwachsene ihre Ernährung ändern wollen. Zunächst klärt der Autor auf, was ein „gesundes“ Gewicht ist, was es mit dem Body-Maß-Index auf sich hat und welche Faktoren außer Überernährung und Mangel an Bewegung zu Übergewicht mit krankmachenden Folgen führen. Es braucht dieses Wissen, um persönlich angepasste Strategien nach genetischer Veranlagung, Essverhalten, Esskultur, Auswahl gesundheitsförderlicher und Verzicht industriell stark verarbeiteter Lebensmittel und Fertiggerichte zur Gewichtsreduzierung entwickeln zu können. Das gilt auch für das anschließende Beibehalten des gesunden Körpergewichts. 

Jeweils ein weiteres Kapitel ist den Grundnährstoffen Fett, Kohlenhydrate und Eiweiß gewidmet. Hier werden ausführlich deren feinstoffliche Zusammensetzungen und biologische Verwertbarkeit erläutert. Ebenso anschaulich dargestellt sind die gesundheitsförderlichen und krankmachenden Qualitätsunterschiede: So wirken sich die „guten“ ungesättigten Fettsäuren positiv und die „bösen“ gesättigten Fette wie Transfette negativ auf den Cholesterinspiegel aus. Günstig für den Blutzuckerspiegel sind die „richtigen“ komplexen Kohlenhydrate. Dagegen führen bei hohem Konsum die „falschen“ einfachen Kohlenhydrate in die Insulinresistenz und verfetten die Leber. Bei den Eiweißen sind es die „vollständigen“ hochwertigen und die „unvollständigen“ weniger brauchbaren Proteine, die den Unterschied machen.  

Rezepte könnten jetzt erwartet werden. Stattdessen folgt ein Credo auf Gemüse und Obst. Denn neben den Grundnährstoffen enthalten sie natürlicherweise in Hülle und Fülle Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und vor allem die für ein gesundes Darmmikrobiom wichtigen Ballaststoffe. Und doch ist nicht jedes Gemüse und Obst für jeden Menschen gesund. Zum Beispiel können die Bitterstoffe der viel Vitamin C, Kalium und Kalzium enthaltenen Grapefruit bei gleichzeitiger Einnahme von bestimmten Medikamenten den Wirkspiegel senken oder bis auf gefährliche Werte steigern. Für Menschen mit Zöliakie können die Glutene in Vollkornprodukten zur Gefahr werden. Bei Diabetes sind Weintrauben wegen ihres hohen Anteils an Fructose keine Empfehlung. Beim Verzehr dieser süßen Früchte schnellt der Insulinspiegel hoch und sinkt rapide wieder ab. 

Ob zum Thema Getränke, Nahrungsergänzungsmittel, Antioxidantien, Ernährungseinflüsse auf Umwelt und Klima oder der praktische Umgang mit Körnern und Saaten – Walter C. Willett liefert unermüdlich weiteres praxisrelevantes Grundlagenwissen. Besonders wertvoll sind seine ernährungsmedizinischen Anleitungen, sich in speziellen Lebenssituationen speziell zu ernähren. Beispielhaft beschreibt er worauf es ankommt, bei Schwangerschaft, Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs, Depressionen und Demenz den täglichen Speiseplan entsprechend danach zu richten.    

Fazit

All diese Kriterien helfen, Lebensmittel als gesund zu definieren, sie mit kritischem Blick einzukaufen, sie klug auszuwählen und sinnvoll miteinander zu kombinieren, daraus genussvolle Mahlzeiten zuzubereiten und Gesundheitsziele wie Gewichts- und Blutdruckregulierung zu erreichen. Daher sollte dieses Buch für alle Fachkreise in Therapie, Prävention und Rehabilitation eine Pflichtlektüre sein, auch dann, wenn Ernährung nicht im direkten Zusammenhang mit einer Krankheit zu stehen scheint. Umfassend fundiert bietet es gesicherte ernährungswissenschaftliche Fakten, um Patient*innen zielgerichtet beraten zu können. Als Lehrbuch ist es ebenfalls für die Ausbildung aller Gesundheitsfachberufe wie auch für die Allgemeinbildung zu empfehlen 

Cornelia M. Kopelsky
Freie Fachjournalistin und Fachautorin
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