Psoas-Training für Vielsitzer

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Kristin Adler / Arndt Fengler: Psoas-Training für Vielsitzer – Schmerzfrei und beweglich: Die Lendenmuskulatur kräftigen, 126 Seiten, 141 Abbildungen, Format 22 x 16 cm, TRIAS Verlag, Stuttgart 2019, € 17,99 (D), € 18,50 (A), SFR 20,70 (CH), ISBN 978-3-432-10666-3.

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Jetzt ist Psoas-Training angesagt, und das ist gut so! Denn mit den Lenden-Darmbein-Muskeln verhält es sich wie mit der Beckenbodenmuskulatur. Beide Muskelgruppen liegen tief versteckt im Bauch- und Beckenraum, sind deshalb unserem Körperbewusstsein kaum präsent und nicht so leicht anzusteuern wie oberflächlich liegende Muskeln. Jede für sich haben sie spezifische Bewegungs- und Haltungsaufgaben zu erfüllen und sind gleichzeitig mitverantwortlich für koordinierte Ganzkörperbewegungen und die Körperhaltung. Zudem beeinflussen sie die Atmung, Verdauungs- und Ausscheidungsvorgänge und die Psyche. Ihre Leistungsfähigkeit leidet jedoch unter Bewegungsmangel als auch unter einseitiger sportlicher Belastung und reagiert äußerst empfindlich auf Stress. Ein effektives Training dieser inneren Hüftmuskeln bedarf eines ausgewählten Gymnastikprogramms in ganzheitlichem Kontext und einer sinnklärenden, motivierenden und gleichsam einfühlsamen Anleitungspraxis.

Das von Kristin Adler und Arndt Fengler vorgelegte Konzept wird diesem Ansatz gerecht. Beide Autoren sind Heilpraktiker, Physio- und Manualtherapeuten mit Erfahrungen in der osteopathischen Behandlung des Bewegungsapparates. Schon eingangs ihres Ratgeber- und Übungsbuchs stellen sie den größten und wichtigsten Hüftbeuger, den M. iliopsoas, als „Teamplayer“ und „gut vernetzten Strippenzieher“ vor, der „[…] erst im Zusammenspiel mit anderen Muskeln in Bestform [kommt]“. Damit weisen sie auf seine vielseitige Funktionalität und umfassende gesundheitliche Bedeutung im Alltag und im Sport sowie auf Sinn und Nutzen eines Trainings hin. Der einfachen Lesbarkeit und Erklärung wegen verwenden die Autoren – wie viele andere Autoren auch – die Kurzform „Psoas“ im Singular, meinen aber immer den linken und rechten M. iliopsoas sowie ihr Training und das ihrer Mit- und Gegenspieler. Die deutsche Bezeichnung „Lenden-Darmbein-Muskel-Training“ wäre für die Anleitungspraxis zu umständlich und auch als Buchtitel wenig ansprechend.

Pragmatisch vermitteln sie, unterstützt von anatomischen Zeichnungen, Verlauf, Funktionen und Besonderheiten des Psoas mit seinen drei Anteilen, dem M. psoas major, dem M. psoas minor und dem M. iliacus sowie seiner Unterstützer wie zum Beispiel des M. piriformis. Damit verdeutlichen sie die für viele Bewegungsabläufe wesentliche Verantwortlichkeit des einzigen Muskels, der aufgrund seines Ursprungs seitlich am zwölften Brustwirbel, den ersten vier Lendenwirbeln und den dazugehörigen Bandscheiben und seiner mit dem M. iliacus gemeinsamen Ansatzstelle am Trochanter minor die Wirbelsäule mit den Beinen verbindet. Ohne Psoas sind Gehen, Laufen, Stehen, Sitzen, Überkopfbewegungen, Hoch- und Weitspringen sowie Stabilisieren der natürlichen Lendenlordose nicht möglich. In Gefahren- und Stresssituationen aktiviert er enorme Muskelkraft, um die Flucht ergreifen oder sich schützend wie ein Ball zusammenrollen zu können. Durch seine Faszie ist der Psoas auch mit dem Zwerchfell verbunden, sodass sich der Atemrhythmus beispielsweise sehr gut auf die Dynamik des Gehens einspielen kann. Dabei werden Nieren und Dickdarm fein dosiert stimuliert, was wiederum die Ausscheidungsvorgänge unterstützt.

Der Psoas bezieht aus vielseitigen Bewegungen seine Leistungsstärke, vor allem seine besonders sensible Reagibilität. Täglich stundenlanges Sitzen, wobei Ursprung und Ansatz zu lange inaktiv genähert sind, macht ihn passiv und schwächt ihn. Auch dauerhafte Fehlbelastung durch langes Stehen oder Sport lässt ihn verkrampfen und schließlich auch schwach werden. Im Kapitel „Psoas und Piriformis im Sport“ analysieren die Autoren auf vier Seiten sich immer wiederholende und daher belastende Bewegungsmuster bei Freizeitsportarten wie Golf, Laufen oder Tennis und geben Empfehlungen zu Ausgleichsübungen.

Diese Darstellungen führen die Leser*innen zu einem besseren Verstehen der bewegungsblockierenden, schmerzhaften Auswirkungen auf den Rücken, das Gesäß und die Beine, die bei Schwäche und Dysfunktion des Psoas auftreten können. Die Autoren leiten sechs Testübungen an, mit denen die individuelle Fitness (Bewegungs- und Haltekraft, Dehn- und Entspannungsfähigkeit) des Psoas und des Piriformis herausgefunden werden kann. Wer sich Schmerzen erklären kann, kann ihnen besser vorbeugen und sie mit gezielten Maßnahmen wieder beheben. Dazu zählen auch verhaltens- und verhältnispräventive Maßnahme wie Stufenlagerung zur muskulären Entspannung beziehungsweise die richtige Höhe bei Sitzmöbeln und Arbeitstischen.

Erst ab Seite 62 beginnt der Übungsteil. Zunächst werden 25 funktionelle Übungen zum Aktivieren, Dehnen und Kräftigen einzeln vorgestellt, jedoch nicht nur für den Psoas und den Piriformis, sondern auch für die Gesäß- Bauch- und Rückenmuskeln, sowie zum Mobilisieren und Stabilisieren der Wirbelsäule, Kreuz-Darmbein- und Hüftgelenke. Die Autoren zeigen auch, wie Übungen in den Alltag integriert werden können, zum Beispiel „Treppe steigen im Storchengang“. Mit Aussicht auf schmerzfreie Beweglichkeit empfehlen sie sieben aus den bekannten Übungen zusammengestellte Trainingsprogramme, um individuelle Beschwerdebilder gezielt anzugehen.

Fazit

Das übersichtlich strukturierte Buch beeindruckt durch eine für Laien sehr gut veranschaulichte funktionelle Gymnastikarbeit und eine pädagogisch geschickte Anleitungspraxis. Es enthält aus der Praxis für die Praxis wertvolle und verwertbare Erkenntnisse und ist daher über die eigentliche Zielgruppe vielsitzender Büromenschen hinaus auch eine Bereicherung für das Bewegungstraining in Herzsportgruppen.

Cornelia M. Kopelsky, Service für bewegende Publikationen
Freie Fachjournalistin und Fachautorin
Feckweilerbruch 28, 55765 Birkenfeld / Nahe

www.CMKopelsky.de