Psycho-Kardiologie

background

Bas Kast: Der Ernährungskompass – Das Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung, 320 Seiten, Schubmann, Rainer / Eckelt, Silke / Hermes, Sebastian / Leithäuser, Boris: Psycho-Kardiologie Kompakt – Verständlich auf den Punkt gebracht, 232 Seiten, 20. Abb., € 14,80, ISBN 978-3-946761-72-3, Spitta Verlag, Balingen 2019.

2020-01-cover_psycho-kardiologie

Die Psychokardiologie ist ein noch recht junges medizinisches Fachgebiet. Es befasst sich mit den Wechselwirkungen zwischen Herzerkrankungen und psychischen Faktoren und arbeitet eng mit der klassischen Kardiologie und der Psychologie zusammen. Denn kein Organ steht so sehr in Verbindung mit emotionalen Empfindungen wie das Herz, gilt es doch seit Menschengedenken als Sitz der Seele. Naturwissenschaftlich betrachtet hat das Herz als zentrales Saug- und Pumporgan die Aufgabe, den Körper ein Leben lang mit Blut zu versorgen. Aber bis heute beschreiben Menschen positives wie negatives Gefühlserleben mit der Befindlichkeit ihres Herzens: „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen“, wenn sie nach einer glimpflich endenden Aktion Erleichterung und Entlastung spüren. „Herzerfrischend“ ist ein freudiges, vitalisierend wirkendes und „herzergreifend“ ein tief berührendes Erlebnis. „Wünsche von Herzen“ sind ehrlich gemeinte Wünsche. Sich „mit Herzblut“ einer Sache widmen, heißt, sich mit allen Kräften engagieren. „Herzlos“, „kaltherzig“, „hartherzig“ und „engherzig“ stehen für Gefühl- und Lieblosigkeit, Verbitterung, Missgunst und Angst. Verdrängter Ärger zerreißt und eine zutiefst gehende Enttäuschung bricht das Herz.

In der Tat, eine starke emotionale Belastung kann eine medizinisch ernstzunehmende Herzerkrankung wie das Broken-Heart-Syndrom auslösen, das mit seinem Beschwerdebild sowie Blut- und EKG-Veränderungen einem akuten Herzinfarkt gleicht. Umgekehrt können Herzerkrankungen psychisch so stark belastend sein, dass die Seele ebenfalls erkrankt. Diese uralten auf erspürtem Körperwissen beruhenden Menschheitserfahrungen sind gar nicht so mystisch und abwegig und lassen sich dank moderner physiologischer und psychologischer Stressforschung erklären und für Therapieformen in der Kardiologie differenziert nutzen. Unter Beachtung eines mehrdimensionalen und vernetzten biopsychosozialen Geschehens bei Herzkrankheiten vermitteln drei Fachärzte für Innere Medizin mit kardiologischen Schwerpunkten und ein Psychologischer Psychotherapeut in ihrem Buch Grundlagen und Handlungsfelder der Psychokardiologie. Die Autoren wenden sich an interessierte und betroffene Patienten und informieren für medizinische Laien leicht verständlich über psychosomatische Zusammenhänge und Herz-Seele-Wechselwirkungen sowie Therapieverfahren.

Das Buch ist in 17 Kapitel gegliedert und beginnt mit einem Überblick über Strukturen und Funktionen des Herz-Kreislauf-Systems. Diesem schließt sich eine Vorstellung der häufigen Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit Beschreibung der Ursachen, Beschwerdebilder und Behandlungsformen wie Angina pectoris, Herzinfarkt, Herzklappenfehler, Herzinsuffizienz und Bluthochdruck an. Die nächsten drei Kapitel dienen der psychosomatischen Grundlagenbildung, bringen Klarheit in die Begriffsvielfalt der Psychokardiologie und Kardiopsychosomatik und erläutern, wie sich Stress biochemisch auf Körper und Seele auswirkt, welche Symptome auftreten und welche Stressfaktoren und Stressreaktionen für das Herz-Kreislauf-System ein Krankheitsrisiko bedeuten.

Es folgen Erklärungen zu Herzerkrankungen, bei denen psychische Faktoren eine auslösende oder reaktive Rolle spielen. Die Schilderungen von Fallbeispielen (gebrochenes und zerrissenes Herz, akute und chronische Stressbelastung, Herzinsuffizienz und Depression, Anpassungsstörungen nach Herzerkrankung, Genesung und Rehabilitation nach Operationen am Herzen) verhelfen dabei zu einem besseren Verstehen der Seele-Herz- und Herz-Seele-Wechselwirkungen. Ein Kapitel geht nochmals auf den Bluthochdruck ein und veranschaulicht den Einfluss der Psyche auf seine Entstehung und Behandlung. Weitere psychische Auslöser und/oder Reaktionen erklären die Autoren bei ungefährlichen, krankhaften und bedrohlichen Herzrhythmusstörungen und nach implantierten Aggregaten (Defibrillator) und anderen Herzunterstützungssystemen. So kann das Überleben einer Reanimation oder das Erleben eines oder mehrerer Defibrillator-Schocks eine posttraumatische Belastungsstörung zur Folge haben. Besprochen werden auch nicht kardiologische Krankheitsbilder, die sogenannten somatoformen Beschwerden, die Betroffene beunruhigen und ängstigen. Sie sind bekannt unter den Synonymen „Herzangst“, „nervöses Herz“ und „Herzneurose“.

Das 17. und mit 66 Seiten das größte Kapitel zeigt von der ambulanten psychokardiologischen Versorgung bis zur stationären psychokardiologischen Komplexbehandlung im akuten und rehabilitativen Stadium die vielen Therapiemöglichkeiten auf. Beschrieben werden Grundlagen, Verfahren und Wirkungsweise zum Beispiel der Psychotherapie als analytische, tiefenpsychologische oder Verhaltenstherapie, Achtsamkeitstraining, Stressbewältigungstraining, Biofeedback, Bewegungstherapie mit Wirkungsziel auf die Psyche und die Lebensqualität, auf das Herz-Kreislauf-System, auf den Fettstoffwechsel und auf den Kohlehydratstoffwechsel. Die Autoren weisen zudem auf wertvolle Möglichkeiten der Selbsthilfe und Eigeninitiative in der Verhaltensprävention und bei der Lebensstiländerung hin. Das Kapitel endet mit Informationen über Naturheilverfahren als Komplementärmedizin.

Dieser gelungenen Informationsschrift im praktischen Taschenbuchformat ist eine weite Verbreitung zu wünschen, nicht nur unter Patienten, sondern auch in allen Fachkreisen für physiologische und psychologische „Herzensangelegenheiten“. Mit fundiert medizinisch-psychologischer Fachkenntnis und mit ebenso viel Empathie hilft das erfahrene Autorenteam Patienten, deren Angehörigen und Therapeuten, ihre Herzerkrankung und die dafür notwendigen Therapie- und Rehabilitationsmaßnahmen zu verstehen und besser damit umzugehen.

Cornelia M. Kopelsky, Service für bewegende Publikationen
Freie Fachjournalistin und Fachautorin
Feckweilerbruch 28, 55765 Birkenfeld / Nahe

www.CMKopelsky.de